Berechnung der Verdunstungskühlung

Potentiale und Grenzen der indirekten Verdunstungskühlung

Berechnung der Verdunstungskühlung

In zentralen RLT-Geräten gewinnen Systeme zur Kälteerzeugung auf Basis der indirekten Verdunstungskühlung stetig an Bedeutung. Fachleuten zufolge werden in Deutschland bereits etwa 10 % der jährlich rund 25.000 neu hergestellten RLT-Geräte mit dieser ökologischen Kühltechnik ausgestattet, Tendenz steigend.

Fachplaner und Anlagenbauer können mit einem frei verfügbaren Rechentool die energetischen und ökologischen Vorteile sowie die realen Leistungen und Jahresarbeiten der Verdunstungskühlung projektspezifisch und punktgenau sehr einfach ermitteln.

Bisher erfolgt in zentralen RLT-Geräten die Kühlung und Entfeuchtung der warmen Außenluft auf den Zuluftzustand meist durch den Betrieb von mechanischen und mit synthetischen Kältemitteln arbeitenden Wasserkühlsätzen. Das Ziel der indirekten Verdunstungskühlung besteht darin, durch den Einsatz von verdunstendem Wasser einen möglichst großen Teil dieser Kühlaufgabe zu übernehmen und so die vom Kaltwassersatz zu erbringende Leistung zu verringern.

Dadurch werden elektrische Energie und CO2-Emissionen eingespart sowie umweltbelastende Emissionen von Kältemitteln aus Kälteanlagen in die Umgebung vermindert. So kann die Verdunstungskühlung zur Luftkühlung in RLT-Geräten einen wichtigen Beitrag zum Energiesparen und zum Umweltschutz leisten.

Das Prinzip der indirekten Verdunstungskühlung

Bei der indirekten Verdunstungskühlung wird die aus dem Gebäude entnommene Abluft so nahe wie möglich an den Sättigungszustand 100 % befeuchtet. Dabei ergibt sich pro g Wasser, das pro kg Luft aufgenommen wird, eine Abkühlung der Luft um 2,5 K. Danach durchströmt die um etwa 8 bis 10 K gekühlte Abluft im RLT-Gerät die Wärmerückgewinnung und kann nun aus der warmen Außenluft deutlich mehr Wärme aufnehmen. Dadurch muss die Außenluft nach der Wärmerückgewinnung im Kühler des Wasserkühlsatzes erheblich geringer nachgekühlt werden, um eine gewünschte Zulufttemperatur von zum Beispiel 19 °C zu erreichen. In vielen Fällen kann die Verdunstungskühlung, wie anhand von Beispielen noch gezeigt wird, während der Kühlperiode mehr als 50 % der ansonsten mechanisch zu erzeugenden Kältearbeit substituieren und erhebliche Betriebskosten einsparen.

Die Leistung der Verdunstungskühlung

Die Leistungsfähigkeit einer Verdunstungskühlung ist abhängig von vielen Einflussgrößen.
Dazu zählen unter anderem folgende Parameter:

Qualität der Befeuchtung
Für eine maximale Kühlwirkung sollte die Abluft so nahe wie möglich an 100 % relative Feuchte befeuchtet werden. Gute Systeme, zum Beispiel das „ME“ der Condair GmbH, Garching, erreichen Werte von bis zu 97 %.

Effizienz der Wärmerückgewinnung
Je effizienter die Wärmerückgewinnung im RLT-Gerät ist (Rückwärmezahl φ), umso mehr Wärme kann die in der Verdunstungskühlung gekühlte Abluft aus der warmen Außenluft aufnehmen. Dabei hat die seit 2016 geltende Ökodesign-Richtlinie für RLT-Geräte einen positiven Effekt: Sie fordert für RLT-Geräte, abhängig von der Bauart der Wärmerückgewinnung, gute Rückwärmezahlen von mindestens 63 %.

Einfluss des Abluftzustands
Die Abluft kann umso stärker befeuchtet und gekühlt werden, je trockener sie ist. Mit einer Verdunstungskühlung kann die Abluft mit einer Temperatur zwischen 24 und 28 °C bei einer Befeuchtung auf 95 % r.F. um etwa 9 K (Abluftfeuchte 30 %) beziehungsweise um rund 5 K (Abluftfeuchte 60 %) gekühlt werden. Je trockener die Abluft ist, umso größer wird die Leistung der Verdunstungskühlung.

Einfluss des Außenluftzustands
Je größer die Differenz zwischen der Temperatur der Außenluft und der Abluft ist, und je besser die Rückwärmezahl der Wärmerückgewinnung ist, umso mehr Wärme kann die kühle Abluft der warmen Außenluft entziehen. Wenn die Abluft nach der Verdunstungskühlung beispielsweise eine Temperatur von 18 °C hat, kann sie die Außenluft mit einer Temperatur von 32 °C um etwa 9 K (Rückwärmezahl 0,65) bis 11,5 K (Rückwärmezahl 0,80) abkühlen.

Weitere Vorteile der Verdunstungskühlung
Mechanische Kaltwassersätze, die zur Luftkühlung in RLT-Geräten eingesetzt werden, brauchen zur Erzeugung von Kaltwasser etwa 1 kWh elektrische Arbeit pro 3 bis 4 kWh Kältearbeit. In Deutschland ist jede kWh Strom mit etwa 0,5 kg CO2 belastet (Strommischfaktor aus Kernkraft, Kraftwerken und regenerativen Energien). Wenn durch Verdunstungskühlsysteme die elektrische Arbeit von Wasserkühlsätzen verringert wird, werden dadurch auch CO2-Emissionen vermieden.

Hinzu kommt ein weiterer ökologischer Effekt. Pro 3 bis 4 kW Kälteleistung eines Wasserkühlsatzes wird in dessen Kältekreislauf 1 kg Kältemittel benötigt. Sobald diese Kältemittelmenge durch geringe Leckagen aus dem Kältekreislauf in die Umgebung entweicht, entspricht dies (bei den heutigen Kältemitteln) einer Umweltbelastung von etwa 1.400 bis 2.100 kg CO2. Kaltwassersätze haben Leckageraten von etwa 4 bis 5 % der Füllmenge pro Jahr. Wenn durch Verdunstungskühlsysteme die Chiller kleiner dimensioniert und mit geringeren Kältemittelfüllmengen betrieben werden können, sinken auch treibhauswirksameKältemittelemissionen.

Im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz(EEWärmeG) gelten alle Wärme- und Kälteströme, die in der Wärmerückgewinnung einer RLT-Anlage von der Abluft zur Zuluft übergehen, als regenerative Energien und können in der EEWärmeG-Bilanzierung angerechnet werden. Dazu zählt auch die von einer Verdunstungskühlung erzeugte Kältearbeit.

Berechnung der Verdunstungskühlung
Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist die Berechnung der Leistung und der tatsächlich erreichbaren Kältearbeit eines Verdunstungskühlsystems abhängig von vielen Parametern. Noch komplexer werden die Berechnungen, wenn standort-, projekt- und betriebsspezifische Aspekte und insbesondere der Jahresgang der Außenluft im Hinblick auf Temperatur, Feuchte und Enthalpie zu berücksichtigen ist. All diese Faktoren hat Condair in dem sehr leistungsfähigen und einfach anzuwendenden Berechnungstool „myCoolblue“ zusammengefasst. Dieses Tool, das kostenfrei als App ( www.condair.de/myCoolblue-app ) zur Verfügung steht, basiert auf drei Schritten:

Schritt 1
umfasst die Eingabe des Projektstandorts und aller gewünschten Betriebsdaten (Nutzungszeiten, Temperatur- und Feuchtesollwerte). In der App sind die Jahresverläufe von Außentemperaturen und Enthalpien für 15 deutsche Klimaregionen und mehr als 300 internationale Städte hinterlegt, die aus einer Weltkarte oder einem Menü ausgewählt werden können. Die Angaben der Norm- Auslegungszustände basieren auf der VDI 4710 (t,x-Korrelationen) und auf Meteonorm-Wetterdaten.

Schritt 2
betrifft die Eingabe der Anlagendaten. Diese sind der Luftvolumenstrom, die voraussichtlichen Abmessungen des RLT-Geräts, das System zur Wärmerückgewinnung, Wirkungsgrade und Druckerhöhungen der Ventilatoren sowie die Komponentenanordnung im RLT-Gerät.

Schritt 3
berechnet aus diesen Daten in wenigen Augenblicken die Ergebnisse und zeigt diese als Absolutwerte bzw. in einer Grafik an. Die Ergebnisse sind zum Beispiel die benötigte Nennleistung des Kälteerzeugers ohne und mit Berücksichtigung der Verdunstungskühlung, die Jahreslaufzeit der Verdunstungskühlung sowie die gesamte Jahreskältearbeit zur Luftkühlung mit den Anteilen des Wasserkühlsatzes, der Verdunstungskühlung und der Wärmerückgewinnung (regenerativer Anteil). Die Ergebnisse können wiederum für drei Fälle berechnet werden:

Fall 1: Eine Jahressimulation bei normalem Sommer (10-Jahres- Mittelwerte) für den durchschnittlich zu erwartenden energetischen Beitrag der Verdunstungskühlung und die Bewertung der Wirtschaftlichkeit. Hierbei sollte beachtet werden, dass die Ergebnisse einen Mittelwert der Betrachtungsperiode darstellen und somit einen „synthetischen“ Jahresverlauf abbilden.

Fall 2: Eine Jahressimulation bei extrem warmem Sommer für die Dimensionierung von Verdunstungskühler und Kaltwassererzeuger zur Deckung des maximal auftretenden Kältebedarfs. Hierbei wird ein Jahr innerhalb der Beobachtungsperiode mit besonders warmen Sommertemperaturen ausgewählt und entspricht somit den zu erwartenden Extremwerten, welche bei sensiblen Anforderungen berücksichtigt werden sollten.

Fall 3: Nur Leistungsdimensionierung bei Standard-Außenbedingungen nach VDI 4710 oder vergleichbare Auslegungszustände auf Basis der Meteonorm- Wetterdaten, jedoch ohne Jahressimulation. Angezeigt wird bei den Ergebnissen auch eine Jahresarbeitszahl. Diese ergibt sich aus dem Verhältnis der von der Verdunstungskühlung erzeugten Kältearbeit zur benötigten Pumpenarbeit für das Verdunstungswasser und der Ventilatorarbeit zur Überwindung des luftseitigen Druckverlusts des Verdunstungskühlsystems. Aus den Daten wird eine PDFDatei erzeugt, die für das Projekt ausgedruckt oder per E-Mail versandt werden kann.

Auch die Berechnung und Darstellung von mehreren Varianten, z. B. eine Änderung der Luftvolumenströme, von Temperaturen, der Art der Wärmerückgewinnung, der Ventilatorwirkungsgrade, der Komponentenanordnung im RLT-Gerät, der maximal zulässigen Feuchte im Raum oder des Standorts, dauert mit der App nur wenige Sekunden. Somit bieten die Simulationsergebnisse der App eine optimale Basis, um die von Projekt zu Projekt oft sehr unterschiedlichen Potentiale und Leistungen der Verdunstungskühlung realistisch berechnen und einschätzen zu können.

Berechnungsbeispiele
Nachfolgend werden zur Einschätzung des Kälteeinsparpotentials einer Verdunstungskühlung mit der App „myCoolblue“ mehrere Beispielrechnungen durchgeführt. Dazu werden für ein Musterprojekt (Bürogebäude), folgende Betriebsbedingungen vorgegeben:

• Luftvolumenstrom 27.000 m³/h (= 7,5 m³/s)
• Gerätequerschnitt B 2.250 x H 1.750 mm
• Luftgeschwindigkeit 1,9 m/s
• Zulufttemperatur 18 … 20 °C
• Raumtemperatur Soll / Sommerkompensation 22..26 °C
• Raumluftfeuchte maximal 65 %
• Rückwärmezahl der Wärmerückgewinnung 70 %
• Betrieb der RLT-Anlage 12 h/Tag, 5 Tage/Woche (= 3.120 h/a)

Zur Verdeutlichung der Leistung der Verdunstungskühlung wird dieses Projekt an verschiedenen deutschen und internationalen Standorten mit heißen, kühlen, feuchten und trockenen Klimata postiert. Diese Änderungen des Standorts und die Ausgabe der entsprechenden Ergebnisse dauern mit der App nur wenige Sekunden. Die Werte in Tabelle 1 zeigen für die Verdunstungskühlung mehrere wichtige Tendenzen: An moderaten und warmen Standorten (Mannheim, Potsdam, Essen, Rostock) liefert die Verdunstungskühlung zwischen 44 und 51 % der benötigten jährlichen Kältearbeit zur Luftkühlung. Am kühlen Standort Fichtelberg ist der prozentuale Anteil mit 78 % zwar höher, aber der absolute Wert der überhaupt benötigten Kältearbeit ist sehr gering.

An sommerheißen, aber eher trockenen Standorten (Madrid, Riyadh, Las Vegas), erreicht die Verdunstungskühlung Werte von 52 bis 75 % der Jahreskältearbeit – bei hohen bis sehr hohen Jahresarbeitszahlen! Dieser Trend geht allerdings zurück, je feuchter der Standort wird (Chicago, Colombo): Hier beträgt der Anteil der Verdunstungskühlung an der Jahreskältearbeit nur noch zwischen 10 und 29 %. Allerdings ist die Verdunstungskühlung an tropischen Standorten wie Colombo das ganze Jahr über in Betrieb.

Hier übernimmt die Verdunstungskühlung die Aufgabe einer Vorkühlung der Außenluft. Um die Außenluft dann noch auf die geforderte Luftfeuchte und Zulufttemperatur zu konditionieren (besonders Entfeuchtung!), müssen die mechanischen Kältemaschinen große Leistungen bei geringen Wasservorlauftemperaturen liefern.

Die Wirtschaftlichkeit einer Verdunstungskühlung
Neben den vielen ökologischen Vorteilen einer indirekten Verdunstungskühlung spielt natürlich auch die Wirtschaftlichkeit einer solchen Kühllösung eine wichtige Rolle. Entstehende Mehrkosten bei der Anschaffung sollen durch die erzielten Einsparungen bei den Betriebskosten im Vergleich zu einer mechanischen Kälteerzeugung wieder kompensiert werden.

Aufgrund der wie zuvor erläuterten sehr vielen standortspezifischen und betriebsbedingten Faktoren sollte jedes Klima- und Kühlprojekt im Hinblick auf eine Wirtschaftlichkeit der Verdunstungskühlung individuell geprüft werden. Dabei spielen über die beschriebenen Parameter hinaus auch noch die tatsächlichen projektspezifischen Strom- und Wasserkosten eine wichtige Rolle. Grundsätzlich sollte aber die Verdunstungskühlung nicht allein betrachtet werden, sondern als Verbundsystem, zusammen mit der Wärmerückgewinnung, denn ohne diese ist die indirekte Verdunstungskühlung physikalisch nicht anwendbar.

Durch den Einsatz der Verdunstungskühlung wird die Amortisationszeit des Verbundes mit der Wärmerückgewinnung unwesentlich verlängert. Daher ist die Bandbreite möglicher Amortisationszeiten groß und sollte für jedes Projekt individuell ermittelt werden. Hersteller von Verdunstungskühlsystemen bieten für Kunden solche Wirtschaftlichkeitsberechnungen an. Mögliche Auslegungsvarianten können aber auch schon im Vorfeld mit der Simulations-App durchgespielt und energetisch berechnet werden.

Zusammenfassung
Um in vielen Einsatzbereichen die Leistungen der zur Luftkühlung bislang fast ausschließlich eingesetzten strombetriebenen Kaltwassersätzen zu verringern, bietet die Technik der Verdunstungskühlung erhebliche Potentiale. Durch das Verdunsten von Wasser im Abluftstrom eines RLT-Geräts wird nahezu ohne Strom Kälteleistung erzeugt. Ihre Potentiale kann die indirekte Verdunstungskühlung aus energetischer Sicht besonders gut ausspielen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

• hoher Befeuchtungswirkungsgrad der Verdunstungskühlung,
• hohe Rückwärmzahl der Wärmerückgewinnung,
• geringe Feuchte der Abluft,
• sommerheiße und trockene Standorte.

Die Verdunstungskühlung ist aber nicht dafür gedacht, die Gebäudekühlung allein zu übernehmen. Sie ist nur bei sehr wenigen Projekten, zum Beispiel an sommerlich kühlen Standorten, in der Lage, einen Wasserkühlsatz komplett zu ersetzen. Daher sollte die Verdunstungskühlung hauptsächlich als „Basis-Öko-System zur Vorkühlung der Außenluft“ angesehen werden.

Die Rest- oder Spitzenlast übernimmt der dann in der Leistung kleiner gewählte und somit günstigere Kaltwassersatz. Durch die Verdunstungskühlung können aber bei fast allen Projekten hohe Einsparungen bei der konventionell zu erbringenden Kältearbeit realisiert werden.

In einigen Fällen kann bei einer Akzeptanz der physikalischen Grenzen sogar eine reine Verdunstungskühlung eingesetzt und somit auf eine mechanische Kälteerzeugung komplett verzichtet werden.