Anforderungen für die Langzeitlagerung von Archiv- und Bibliotheksgut
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Erhalt, die Bereitstellung und die Sicherung von Handschriften, Büchern, Grafiken, Bildern, Urkunden sowie anderen Kunst- und Kulturwerken sind die wichtigsten Aufgaben, denen sich Archivare und Konservatoren widmen. In der Theorie begegnen sich beide nur selten auf ihren Berufswegen. Denn die baulich-konstruktiven, bauphysikalischen und gebäudetechnisch-klimatischen Bedingungen in einem Archiv sind idealerweise optimal auf das eingelagerte Archiv- und Bibliotheksgut abgestimmt, sodass Kunstschätze oder anderes erhaltenswertes auf Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte gelagert werden können.
Die Realität stellt sich jedoch anders dar: Archivar und Restaurator sehen sich öfter, als ihnen unter Umständen lieb ist. Denn eine durchgehend schadensfreie Lagerung und Erhaltung ist unter unseren atmosphärischen Bedingungen nicht möglich. Und selbst dann, wenn wir alle Archive in den luftleeren Raum der Erdumlaufbahn verlagern oder alles der Menschheit Wichtige oder Wertvolle in Vakuum konservieren wollten, blieben weiterhin langsame, chemische Zersetzungs- und Reaktionsprozesse bestehen.
Optimale Luftkonditionen für Archive
nach DIN ISO 11799
Schädigende Einflussgrößen minimieren
Für Museen, Archive und Depots gilt es bei korrekter Ausstellung, Archivierung und Lagerung vor allem zusätzliche Einflussgrößen wie Sauerstoff-Oxydation (Rost), UV-Strahlung (Kunststoff-Degradation), Schimmel (Sporen, Pilzmyzel, Fruchtkörper) und andere Mikroorganismen (Algen, Bakterien, Flechten, Hefen) sowie mögliche Schädlinge (Papierfischchen, Silberfischchen, Brotkäfer etc.) stets im Blick zu behalten – und prophylaktisch geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die den Erhalt des gelagerten Archivgutes sichern. Hier wird der Archivar in gewisser Weise selbst zu einem aufmerksamen Konservator, denn seinem prüfenden Blick sollten strukturelle Veränderungen, ungewohnte Gerüche, sichtbare Oxydation oder Verfärbungen am Archivgut nicht entgehen. In solchen Fällen die notwendigen Spezialisten einzubinden und somit irreparable Schäden abzuwenden, ist eine seiner Pflichten.
Spezifische Lageranforderungen berücksichtigen
Es gibt zahlreiche Anforderungen, die an Archivräume gestellt werden. Hierbei sind vor allem die bauliche Ausführung und Ausrüstung zu nennen, die Einrichtung der Archivräume sowie die Aufbewahrung von Archivalien. Grundlegende Anforderungen hierzu sind in den Standard-Normen und Regelwerken erfasst. Vorrangig sind dies die DIN 67700 „Bau von Bibliotheken und Archiven – Anforderungen und Empfehlungen für die Planung“ sowie die DIN ISO 11799 „Information und Dokumentation – Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut“, die als sich gegenseitig ergänzende Normen die Anforderungen an den Bau und Betrieb von Archiven und Depots formulieren. Hinzu kommen die ISO/TR 19814 „Information und Dokumentation - Bestandserhaltung für Archive und Bibliotheken“ sowie die ISO/TR 19815 „Information und Dokumentation - Management der Umgebungsbedingungen von kulturellen Sammlungen“.
Luftfeuchte jahreszeitabhängig regeln
Die optimale Klimatisierung von Archivräumen hat einen entscheidenden Einfluss auf die schadensarme Langzeitaufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut. Dabei galt über viele Jahrzehnte hinweg die Faustformel, dass Archivgut bei 18 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchte von 50 % ideal gelagert ist. Mit der Einführung und Regelung von medienspezifischen Klimabedingungen in der ISO/TR 19815 wird jedoch deutlich, dass allgemeingültige Formeln nicht mehr genügen. Denn das Archivgut ist heute zu spezifisch (Schriften, Bücher, Bilder, Grafiken, verschiedene Werkstoffe bei Kunstgütern, Foto- und Filmmaterial, digitale Materialien, Speichermedien etc.), als dass hier ein allgemeingültiger, seriöser sowie verbindlicher nominaler Wert für eine ideale Luftfeuchte im Archivraum angegeben werden kann. Vielmehr setzt man heute auf Einzelraum- oder Zonen-Lösungen mit spezifischen Raumlufteigenschaften, die in Abhängigkeit vom zu lagernden Archivgut separat geregelt werden.
Klimastabile Archive mit zuverlässigen RLT-Systemen
Die vorgenannte DIN 67700, 2016 zum ersten Mal aufgelegt, versucht zumindest einige wichtige Grenzwerte für Archive vorzugeben. So ist in ihr für Archivmagazine eine Obergrenze von 21 Grad Celsius definiert. Die relative Luftfeuchte sollte zwischen 30 und 55 % liegen, wobei die tägliche Temperaturschwankung um ± 1 K und die Abweichung der Feuchte um max. ± 3 % relativer Feuchte nicht überschritten werden sollten. Darüber hinaus ist baulich darauf zu achten, dass Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen nicht von der Raumaußenseite über die berührenden Bauteile (Boden, Wand, Decke) in den Archivraum übertragen werden. Klimastabile Baukonstruktionen mit mehrschichtigen, massiven Konstruktionen haben sich hier in den vergangenen Jahrzehnten manifestiert. Hinzu kommen effiziente RLT-Systeme, die mithilfe einer permanenten Feuchtigkeitsmessung die Be- oder Entfeuchtung nach den jeweilig geltenden klimatischen Verhältnissen (Jahreszeitenwechsel) über die Gebäudetechniksteuerung vornehmen. Dabei ist zu beachten, dass in den Sommermonaten durch die höheren Außenlufttemperaturen deutlich mehr Wasser in der Umgebungsluft gebunden wird – bei gleicher relativer Luftfeuchte. Die Lüftungsanlage saugt dann warme Außenluft an und gibt sie in die Archivräume ab. Dies geschieht jedoch erst, nachdem sie zuvor gekühlt, entfeuchtet und ergänzend gefiltert ist (Pilzsporen, Schädlinge).
Den Sommer- und den Winterfall einbeziehen
Ein kleines Beispiel soll verdeutlichen, was ohne die Behandlung der eingebrachten Luft passiert. Außenluft von 24 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchte von 55 % wird nun direkt in die Archivräume eingeleitet. Sie enthält dann knapp 12 Gramm gebundene, absolute Feuchte pro Kubikmeter Raumluft. Wird die Quellluft durch die deutlich niedrigeren Luft- und Oberflächentemperaturen im Archivraum ganz allmählich auf 20 Grad Celsius abgekühlt, steigt die Luftfeuchte dabei auf knapp 70 % an. Schimmel und eine beschleunigte Alterung des Archivguts sind bei dieser Luftfeuchte vorprogrammiert. Hinzu kommt der Niederschlag von Feuchtigkeit auf kälteren Oberflächen im Archivraum und das Ausfällen von Wasser aus der Raumluft. Wasser und Archivgut vertragen sich jedoch nur sehr selten bis gar nicht.
Genau umgekehrt verhält es sich in den kalten Wintermonaten. Außenluft von beispielsweise 5 Grad Celsius bindet bei einer relativen Luftfeuchte von 55 % weniger als 3 g Wasser pro kg Luft. Das entspricht nach einer Erwärmung im Heizregister einer RLT-Anlage auf 20 Grad Celsius einer relativen Luftfeuchte von nunmehr 15,5 %. Hier muss also vor der Einleitung in einen Archivraum gezielt befeuchtet werden, wenn man die mittlere Raumluftfeuchte von 55 % erhalten will. Ansonsten ist ebenfalls eine Schädigung des Archivguts die Folge.
Luftentfeuchtung wirkt dem natürlichen Zerfall entgegen
Ab einer relativen Luftfeuchte, die dauerhaft über 60 % liegt, entsteht nicht selten Schimmel. In der Luft vorhandene oder sogar direkt im Archivgut „schlummernde“ Pilzsporen brauchen die hohe Luftfeuchtigkeit und bedeuten für viele Arten von Archivgütern schwere Schäden, die nur mit hohem konservatorischem Aufwand gemindert werden können. Überdies sind Schimmelpilze durchweg gesundheitsschädlich. Korrosion ist ein weiteres großes Problem bei zu hoher Luftfeuchte. Sie begünstigt u.a. die sog. „Bronzepest“, die Gegenstände aus Bronze irreparabel zerstören kann. Ein weiteres Problem ist die Langzeitlagerung in historischen Gebäuden, die oft als Archivräume genutzt werden. Schlechter Wärmeschutz, Undichtigkeiten in Decke, Wand und Boden sowie ungenügender Raumluftwechsel begünstigen zusammen mit hoher Luftfeuchte die Schimmelbildung, Korrosion und Schädlingsbefall.
Flexible Systeme für jeden Anwendungsfall im Archiv
Luftentfeuchter sind ideal, um die Raumluftfeuchte auf einem, für Archivgut geeigneten Niveau zu halten. Sie begrenzen die maximalen Luftfeuchtewerte nach oben und gewährleisten so einen sicheren Schutz des Archivmaterials. Darüber hinaus tragen sie zum Schutz der Bausubstanz bei. Am Markt sind verschiedene Systeme verfügbar, welche je nach Einsatzgebiet und Leistungsanforderungen dimensioniert werden. Sowohl gängige Adsorptionstrockner als auch Kondensations-Luftentfeuchter sind äußerst wartungsarm. Die Geräte werden entweder an ein Lüftungskanalnetz angeschlossen oder im Parallelbetrieb in die bestehende RLT-Anlage eingebunden, wie die Condair Luftentfeuchter der DC Serie auf Kondensationsbasis sowie sämtliche Adsorptionstrockner der Produktgruppe Condair DA.
Eine Montage als autarkes Einzelgerät, unabhängig von einer Lüftungsanlage, ist insbesondere bei Kondensations-Luftentfeuchtern ebenfalls möglich. Hinzu kommen spezielle Bauformen wie beispielsweise der leistungsstarke Condair DC-W Luftentfeuchter für die Wandmontage und der Condair DC-R mit identischen Leistungsmerkmalen für die Hinterwandinstallation in einem benachbarten Raum. Überall dort, wo der Platz zur Aufstellung des Luftentfeuchters sehr begrenzt ist, bietet sich eine Montage unter der Decke an, hierzu sind
spezielle Deckengeräte der Serie Condair DC-C verfügbar. Die Einhaltung besonders niedriger Luftfeuchten
für sehr feuchteempfindliches Archivmaterial gewährleisten die Adsorptionstrockner der Serie Condair DA.
Einen Überblick über die technischen Möglichkeiten zur fachgerechten Entfeuchtung
finden Sie in der Broschüre „Planungsleitfaden für Luftentfeuchtung“ von Condair,
die Sie sich
kostenlos zusenden lassen können.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Zwigart
Condair GmbH