Magazin Luftfeuchte 2020 DEZ 02

Autor:
Dr. med Walter J. Hugentobler

Warum wir uns im Winter häufiger mit Grippeviren infizieren


Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

im Winter ist die Luft wesentlich trockener. Aber warum ist das so?

Kalte Luft hat ein weitaus kleineres Potenzial Wasser aufzunehmen als warme Luft. Dies bedeutet, dass kalte Luft physikalisch bedingt trockener ist. Beispielsweise kann 22°C warme Luft mehr als 16,7g Wasser pro Kilogramm Luft aufnehmen, wobei 0°C kalte Luft schon bei weniger als 3,8g Wasser pro Kilogramm Luft gesättigt ist.

Im Winter haben wir also durch die kalten Temperaturen in der Natur sehr trockene Luft. Jedoch ist die Luft in unseren Wohnräumen häufig noch viel trockener. Wenn wir Lüften, lassen wir die Winterluft in unsere Innenräume. Dabei bleibt die absolute Menge an Wasser zwar gleich, jedoch steigt mit dem Erwärmen der Luft das Potenzial Feuchtigkeit aufzunehmen stark an. Wenn keine Befeuchtung der Luft geschieht, sinkt die relative Feuchtigkeit rapide ab.
Trockene Luft ist für den Menschen nicht nur unangenehm, sondern sogar gefährlich. Denn trockene Luft entzieht dem Körper Feuchtigkeit aus Haut, Augen und Schleimhäuten, die dort für organische Funktionen benötigt wird. Trockenheit im Hals, Heiserkeit und Hustenzwang sind Symptome von zu trockener Raumluft.

Trockene Haut
Dass trockene Luft der Haut Feuchtigkeit entzieht, ist gerade im Winter ein bekanntes Problem. Lippen werden spröde, Finger und Handrücken trocken und rissig. Im Extremfall kann die Haut aufreißen und sich entzünden.

Trockene Augen
Augen reagieren besonders sensibel auf trockene Raumluft. Der Tränenfilm hat die Aufgabe die Augenoberfläche vor Einwirkungen aus der Umwelt zu schützen. Trocknet er ein, ist dieser Schutz nicht mehr gegeben. Augenreizungen und Augenentzündungen können die Folge davon sein.

Infektions-Gefahr
Durch Husten oder Niesen werden mit Viren beladene Tröpfchen (Aerosole) in der Raumluft verbreitet. Diese können stundenlang in der Raumluft schweben. Das Ansteckungsrisiko steigt dabei mit zunehmender Verweildauer an. Diese wird unmittelbar von der Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Ist die Luftfeuchtigkeit im idealen Bereich zwischen 40 und 60 Prozent, können die meisten Krankheitserreger nicht überleben und werden inaktiviert. Das Risiko infektiöse Aerosole einzuatmen ist bei richtiger Luftfeuchtigkeit somit deutlich geringer und die Ansteckungsgefahr sinkt.

Immunabwehr der Atemwegsschleimhäute
Die Atemwegsschleimhäute spielen eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr. Eingeatmete Fremdkörper und Krankheitserreger bleiben an ihr kleben und werden so am weiteren Eindringen in den Körper gehindert. Unter der Schleimschicht befinden sich winzige Flimmerhärchen, die etwa 450 bis 900 mal pro Minute pulsieren und die Schleimschicht wie ein Förderband beständig in Richtung Rachen schieben. Der Schleim, samt der darin gefangenen Viren und Bakterien, wird schließlich verschluckt und somit unschädlich gemacht.

Entscheidend ist dafür jedoch eine feuchte, fließfähige Schleimschicht. Bei trockener Luft trocknet auch die Schleimschicht aus. Sie wird hart und zäh, so dass sie nicht mehr von den Flimmerhärchen bewegt werden kann. Zum anderen bleiben auch immer weniger Erreger an ihr hängen. Bei zu trockener Raumluft funktioniert diese wichtige Funktion zur Immunabwehr nicht mehr. Die Belastung durch Keime, Viren und Bakterien, denen der Organismus ausgesetzt ist, steigt mit zunehmender Trockenheit sprunghaft an.

Hat das gesundheitliche Konsequenzen für Sie?
Ja, zumindest für jede zweite Person bedeutet das ein gesundheitliches Risiko!
All diejenigen, die keine perfekt funktionierenden Nasen und Atemwege haben - vor allem Säuglinge und Kleinkinder, Allergiker, Personen mit häufigen Infektionen und chronischen Atemwegserkrankungen sowie Senioren sind besonders betroffen. Bei ihnen nimmt die Schwere der Krankheitsbilder zu und Infektionen und Allergien häufen sich in den Wintermonaten.

Verantwortlich für die Infektionen sind Viren und Bakterien, die in der Lufttrockenheit lange überleben - allen voran die Grippeviren. Bei aktiver Luftbefeuchtung würden sie im Feuchtebereich zwischen 40 und 60 Prozent jedoch innerhalb von wenigen Minuten inaktiviert!

Aktive Luftbefeuchtung bedeutet also aktive Infektionsvorbeugung.
Lüften im Sommer
Lüften im Winter
Trockene Luft in der Heizperiode
Ein wesentlicher Unterschied zwischen warmer und kalter Luft ist die in der Luft enthaltene Wassermenge. Warme Luft kann sehr viel mehr Wasser aufnehmen, weshalb die Luft im Sommer meist feucht genug ist und als angenehm behaglich empfunden wird. Kalte Luft hingegen kann nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen und wird bei Erwärmung dementsprechend trocken.

Am aussagekräftigsten über den aktuellen Feuchtezustand der Luft ist die relative Feuchte [r. F.]. Dieser Wert gibt in Prozent an, wie weit die Feuchtigkeit von der maximalen Sättigung (100%) entfernt ist. Ein Wert im Bereich von 40-60% gilt sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für hygroskopische Stoffe (Papier, Holz usw.) als optimal. Im Winter gelangt kalte, trockene Luft durch die Lüftung in unsere Häuser. Dort wird sie aufgeheizt. Der Wert der relativen Feuchte sinkt somit rapide ab und die ohnehin schon trockene Luft wird noch trockener.